Myrièlle ist 19 Jahre alt und hat im letzten Oktober ihr Zahnmedizinstudium an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg begonnen. Damit startet für sie ein neuer Lebensabschnitt in einer neuen Stadt mit neuen Freunden, neuen Tagesabläufen und vielen neuen Eindrücken. In mehreren Beiträgen schildert Myrièlle ihre ersten Erfahrungen vom neuen Leben als Zahni.
Sie gehören schon in der Schule nicht unbedingt zu den beliebtesten Fächern, begegnen dem (Zahn-) Mediziner auf seinem Weg zum Beruf aber wohl oder übel wieder: Chemie und Physik.
Gerade Chemie gehört aus Sicht der Studenten mit zu den größten Hürden in der Vorklinik und bereitet vielen Studenten Schwierigkeiten. Vor allem, da der Chemie-Stoff an vielen Universitäten weit über das Niveau des Leistungskurses hinausgeht. Wie läuft die Ausbildung bei uns in Heidelberg ab?
Ich selbst hatte ebenfalls großen Respekt vor dem Fach. Ich hatte Chemie zwar bis kurz vor dem Abitur und immer sehr gute Noten gehabt – dennoch kannte ich einige Studenten und Assistenzärzte, die ihr Studium wegen mehrerer missglückter Chemie-Klausuren verlängern mussten. Aber: es war unerwartet machbar. Gleich zu Beginn des Studiums starten die Vorlesungen, welche einmal die Woche und das gesamte erste Semester abgehalten werden. Nach einigen Wochen beginnt dann auch das Seminar, das für alle Studenten verpflichtend ist. Für jede Woche werden Aufgaben auf Moodle hochgeladen, welche zu erledigen sind und dann gemeinsam in Kleingruppen unter Anleitung eines Chemie-Studenten besprochen werden. Die Lehre beginnt wirklich mit den Grundlagen der Chemie: wie ist ein Molekül aufgebaut? Was sind Van-der-Waals-Kräfte und wie stelle ich korrekt Redox-Reaktionen auf? Besonders hilfreich fand ich die Seminare – in Gruppen von etwa 30 Leuten und im Gespräch mit dem Tutor festigt sich der Stoff einfach besser als im überfüllten Hörsaal. In den ersten Monaten lernten wir also alles Medizinrelevante der Chemie: von den Grundlagen des Atoms über Säure-Base-Reaktionen und Komplexchemie bis hin zu Kohlenhydraten und Proteinen.
Zwei Wochen vor der Abschlussklausur fand dann noch das Chemie Praktikum statt: an 5 Tagen experimentierten wir in den Laboren der chemischen Fakultät. Neben Nachweis- und Fällungsreaktionen führten wir Titrationen, Veresterungen und Hydrolysen durch. Stressfrei ist das Chemie-Praktikum leider nicht: zu Beginn jedes Praktikumstages musste ein schriftliches Testat absolviert werden, welches erst beim Bestehen zur Kursteilnahme berechtigte. Dann kam Anfang März die Abschlussklausur: 40 MC-Fragen zu den Inhalten der Vorlesungen und der Seminare, darunter einige Rechenaufgaben. Definitiv machbar und tatsächlich einfacher als erwartet.
Und während Freunde anderer Studiengänge zufrieden in ihre Semesterferien starteten, wartete auf uns Physik. Ja, richtig gehört – zwischen das erste und das zweite Semester wird in Heidelberg der Physik-Kompaktkurs gelegt. Jeden Tag mehrere Stunden Vorlesungen, anschließend Seminare mit gemeinsamen Rechenübungen sowie ein mehrtägiges Praktikum. Vor Physik hatte ich ebenfalls größten Respekt: Ich hatte das Fach ebenfalls in der Oberstufe belegt, mich darin aber nie so fit wie in den anderen Naturwissenschaften gefühlt. Aber mit Fleiß und Durchhaltevermögen ist auch diese Hürde zu schaffen. Wie auch in Chemie wird der Stoff von den Grundlagen an gelehrt – zunächst Mechanik, Strömungslehre und Optik bis hin zu Elektrodynamik, Radioaktivität und Radiometrie.
Das Praktikum war ebenfalls sehr zeitaufwändig. Zu Beginn jedes Versuchstages musste ein mündliches Testat abgelegt und zu allen acht Versuchen ein Protokoll abgegeben werden. Versuche zum Dopplereffekt, axonaler Signalweiterleitung und vielen weiteren Bereichen der Physik machten uns fit im Umgang mit Oszilloskopen, Röntgenröhren und verschiedensten Thermometern. Die Klausur Mitte Mai war definitiv nicht leicht, aber ebenfalls zu schaffen.
Mit Erhalt beider Scheine sind Chemie und Physik erstmal abgehakt…kommen dann aber als mündliche Prüfungen im Vorphysikum wieder.
Beim Lernen und Wiederholen fand ich die Endspurt-Skripte unfassbar hilfreich. Vor allem in Physik habe ich immer den medizinischen Kontext vermisst, wenn ich verzweifelt vor meinen Aufgaben zur Wellenoptik oder magnetischen Induktion saß. Endspurt versucht, seine Aufgaben und Rechnungen auf medizinische Probleme und Fragestellungen zu übertragen – das ist auf jeden Fall immer sehr motivierend und interessant. Auch wenn beide Fächer nicht im gleichen Maße begeistern wie Anatomie sollte man sein Ziel, Arzt oder Zahnarzt zu werden, nie aus den Augen verlieren und das Beste daraus machen.
Vielen Dank, Myrièlle, für deinen Erfahrungsbericht.
Ich finde es immer wieder interessant zu lesen, wie die Dinge unter verschiedenen Gesichtpunkten so ablaufen. Ein Studium in einem medizinischen Feld stelle ich mir wirklich sehr anstrengend vor. Ich konnte hier ein paar sehr interessante Eindrücke lesen. Ich danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast, all deine Gedanken einmal niederzuschreiben.