PJ-Tertial in Athen: Gastfreundschaft trotz Krise

2 Monate PJ am Laiko-Nosokomeio in AthenZusammen mit einem Kommilitonen habe ich mich an verschiedenen Krankenhäusern in Südeuropa für ein halbes PJ-Tertial beworben. Die Wahl fiel letztendlich auf Athen, da wir beide dort noch nicht gewesen waren und wir dort sowohl die Vorzüge einer großen Stadt als auch die Möglichkeiten der Umgebung sahen. Eine Sekretärin des Laiko Nosokomeios in Athen hatte uns recht unkompliziert und direkt per E-Mail geantwortet und uns somit signalisiert, dass das zweimonatige Praktikum auf der dortigen allgemeinchirurgischen Station möglich sei.

Die griechische Staatsflagge thront auf der Akropolis.Vor der Bewerbung haben wir uns zunächst im Dekanat der medizinischen Fakultät der Goethe-Universität in Frankfurt über die Anerkennung von 2 Monaten des Chirurgie-Tertials in Athen informiert. Die PJ-Beauftragte gab uns ihr Einverständnis und somit haben wir uns per E-Mail an Professor Rosenberg in Athen gewandt und uns um das Praktikum beworben. Dies geschah etwa Anfang Juni 2014, also 3 Monate vor Start des Praktikums. Bereits am nächsten Tag bekamen wir eine persönliche Bestätigung von Professor Rosenberg für den Zeitraum von September bis Ende Oktober für die allgemeinchirurgische Station. Danach setzten wir uns mit der Koordinatorin für Erasmus Placement an der Goethe-Universität Frankfurt in Verbindung und später dann mit den Koordinatoren für EU-Praktika in Fulda. Bis zur Deadline 1 Monat vor Praktikumsbeginn hatten wir alle benötigten Unterlagen wie Motivationsschreiben, Englisch-Sprachzeugnis und Versicherungsnachweis nach Fulda weitergereicht. Damit erhielten wir die Zusage, dass wir im Praktikumszeitraum mit 300 Euro pro Monat unterstützt werden. Von unserer Heimathochschule oder der medizinischen Fakultät erhielten wir keine finanzielle Unterstützung, aber nochmals die Zusage, dass das Auslandspraktikum bei entsprechendem Nachweis anerkannt wird als Teil des Praktischen Jahres.

Bis zum Praktikumsbeginn war nun Zeit, sich um Flug und Unterkunft zu kümmern. Besonders bei der Unterkunft erhielten wir Unterstützung von Professor Rosenberg, der uns einige Webseiten nannte, auf der Wohnungen angeboten wurden. Nachdem sich die Wohnungssuche trotzdem langwierig gestaltete, sind wir kurz vor Beginn des Praktikums auf einer privaten Wohnungsvermittlungsseite fündig geworden, und haben kurz nach unserer Ankunft eine Wohnung im exzentrischen Stadtteil Exarchia bezogen.

Zurechtfinden im Laiko-Nosokomeio

Der Monastiraki-Platz unterhalb der Akropolis gehört zu den belebtesten Plätzen in der Innenstadt Athens.Mit dem Bus benötigten wir täglich in etwa 20-30 Minuten zum Laiko Krankenhaus. Am ersten Tag sollten wir uns um 9 Uhr im Büro des Professors einfinden. Dieser empfing uns äußerst herzlich und gab uns eine kleine Einführung in das Krankenhaus und den Arbeitsalltag und stellte uns anschließend den Stationsärzten vor. Auch von diesen wurden wir herzlich empfangen. Die meisten Ärzte gaben sich im gesamten Zeitraum Mühe, in unserem Beisein auf Station und im Operationssaal Englisch zu sprechen. Das Laiko Krankenhaus im Zentrum Athens ist eines der größten öffentlichen Krankenhäusern in Athen. In Deutschland würde man es ein Krankenhaus der Maximalversorgung nennen, was heißt, dass so gut wie alle Fachdisziplinen dort vertreten sind. In der Chirurgie sind das Allgemein-, Gefäß- und Unfallchirurgie sowie Orthopädie und Urologie. Unsere Station bestand aus etwa 15 Zimmern mit jeweils 4 Betten. Der Operationsbereich bestand aus 12 Operationssälen. Das gesamte Krankenhaus war relativ modern, jedoch merkte man doch gewisse Unterschiede zu Deutschland, z.B. in der Ausstattung. So gibt es dort die Patientenakten noch allesamt auf Papier und nicht etwa wie in Deutschland digital. Durch die Krise sind gerade auch die öffentlichen Krankenhäuser vom Sparzwang betroffen. So gibt es im Laiko zum Beispiel seit vier Jahren keinen Magnetresonanztomographen mehr.

Emotionale Stimmung beim Derby zwischen Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen.Das Praktikum gestaltete sich täglich in den 2 Monaten in etwa wie folgt: Morgens um 8 Uhr startete für uns der Tag auf der chirurgischen Station im Laiko Krankenhaus. Zunächst nahmen wir bei den Patienten Blut ab. Auf unser gebrochenes Griechisch reagierten die Patienten meist äußerst humorvoll. Danach halfen wir bei Arbeiten wie Verbandswechsel. Gegen 10 Uhr waren oft Röntgenbesprechungen, sogenannte Tumor-Boards oder Seminare für Studenten (neben uns waren auch griechische Studenten auf der Station, die sich uns gegenüber immer sehr hilfsbereit zeigten). Danach wohnten wir zahlreichen Operationen bei. Dabei sahen wir entweder zu oder durften auch direkt am OP-Tisch mithelfen. Dabei zeigten sich die verschieden Teams meist sehr freundlich und erklärten uns auf Englisch, was und warum sie die jeweiligen Operationen machten und zeigten uns verschiedene Techniken der Operationen. Wir hatten immer das Gefühl, Teil der Belegschaft im Laiko-Krankenhaus zu sein. Da wir sehr oft mit den gleichen Ärzten zusammenarbeiteten, trauten diese uns auch ab und zu Aufgaben an, die wir alleine erledigen konnten, wie z.B. Wunden nähen. Ich würde das Praktikum als sehr lehrreich beschreiben. Sehr interessant war auch, ein anderes Medizinsystem zu erleben, das durch finanzielle Probleme Schwierigkeiten hat, allen Bürgern eine optimale Versorgung anzubieten.
Auch außerhalb des Krankenhausen unternahmen wir ab und zu etwas mit den Ärzten und Studenten. Oft brachte uns jemand Frühstück mit oder lud uns auf einen Kaffee ein.

Griechenlands vielseitiges Gesicht

Ein häufiges Postkartenmotiv: Die Mühlen auf der Insel Mykonos.Zwei Monate in Athen zu leben ist eine tolle Erfahrung. Die Griechen sind ein unglaublich gastfreundliches Volk. Egal ob unsere Nachbarn, Bedienungen in Restaurants oder vermeintlich Fremde auf der Straße. Immer konnte man sich nett unterhalten oder einen Kaffee zusammen trinken. Das Leben in Athen spielt sich auch wetterbedingt vor allem draußen ab. Zahlreiche Straßencafes, Restaurants und Bars sind zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet; und die griechische Küche verdient es, häufig und reichlich zu essen. Trotz der Krise bietet Athen noch immer ein ausgeprägtes Nachtleben- für jeden Geschmack ist etwas dabei. Kulturell muss sich Athen und ganz Griechenland sowieso nicht verstecken. Besonders die archäologischen Stätten in Athen und in näherer Umgebung z.B. in Mykene, Kap Sounion und Delphi haben mir sehr gut gefallen. Und wenn man einfach nur entspannen will, laden lange Strände in der Nähe Athens zum Verweilen ein. Oder man besucht eine der zahlreichen Inseln, von welcher mir Mykonos besonders gut gefallen hat. Ein weiteres Highlight war der Besuch des Fischerdorfs Galaxidi in der Nähe Delphis. Dort überließ uns Professor Rosenberg kurzerhand sein Ferienhaus für 2 Tage.

Die antike Ausgrabungsstätte Delphi ist ein beliebtes Ausflugsziel.An den Alltag in Athen kann man sich schnell gewöhnen. Das Leben fängt etwas später an und hört früher auf als in Deutschland. Strikte Ladenöffnungszeiten gibt es nicht wirklich; in etwa haben aber z.B. Supermärkte genauso lange offen wie in Deutschland. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln , bestehend aus Bus, Tram und U-Bahn, kommt man schnell sehr gut zurecht. Als Student bekommt man eine Monatskarte für den gesamten öffentlichen Verkehr für 15 Euro. Was mich erstaunt hat, dass trotz Krise die Preise im Supermarkt, beim Restaurantbesuch und die Mietpreise mit den deutschen vergleichbar sind. Abends ausgehen ist sogar teurer als in vielen mitteleuropäischen Ländern.

In Athens Stadtteil Exarchia gehört Streetart zum Straßenbild.So war es auch nicht überraschend, dass wir im Alltag besonders durch die Krise auch viel Leid und Elend der Bevölkerung mitbekommen haben. Auch zahlreiche Streiks und Demonstrationen konnten wir miterleben. Umso schöner war es, dass die Griechen nach wie vor in meinem Empfinden ein außerordentlich warmherziges Volk sind. Nach dem Praktikum mussten wir unserem Dekanat lediglich die Bestätigung unseres Aufenthaltes durch Herrn Rosenberg vorlegen, um es vollständig anerkannt zu bekommen. Dazu kamen noch einige Unterlagen wie ein Erfahrungsbericht und das Absolvieren des sogenannten „hands-on-learning“-Programmes im Internet.

Eine absolut empfehlenswerte Erfahrung

Athens höchste Erhebung Lykabetus vom Hügel Lofos Strefi in Exarchia aus.Zusammenfassend sehe ich persönlich diese Erfahrung als vollen Erfolg und würde sie jederzeit wiederholen. Auch die Vorbereitung und Organisation mit den verschiedenen Kontaktstellen verlief problemlos, wodurch ich das Praktikum und die gesamte Zeit in Athen in vollen Zügen genießen konnte. Noch etwas Generelles zur Sprache: Wie schon erwähnt, sprechen wir beide kein Griechisch und haben lediglich das Wichtigste dort gelernt. Das macht aber überhaupt nichts, weil die Griechen häufig sehr gut Englisch sprechen.

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